Was haben der Bau einer Flugzeugpiste und ein stinkender Hering mit dem Hundeschlittenrennen und Eisangeln zu tun?

Eine lange Flugreise führt uns Ende Februar 1997 von Zürich via London Heathrow und von dort über Seattle nach Anchorage. Am Samstag, den 1. März, wird zum 25. Mal das Rennen „Iditarod“1 (längstes und härtestes Hundeschlittenrennen der Welt über mehr als 1‘800 Kilometer) an der 4th Avenue in Anchorage gestartet. Das Thermometer zeigt minus 15°C. Freudiges Gebell signalisiert, dass die Meute der Hunde es kaum erwarten kann, loszustürmen. Dieser zeremonielle Teil hat symbolischen Charakter und dient hauptsächlich der Vorstellung der Teams und Sponsoren. Nachmittags verschieben sich die 53 Gespanne mit meistens 16 Hunden bis nach Eagle River, Checkpoint # 1. Tags darauf erfolgt der eigentliche offizielle Start in Wasilla. Ziel ist das im Nordwesten des Staates gelegene Nome an der Beringsee. Auch die vielfach zitierte Distanz von 1‘049 Meilen ist lediglich eine rein symbolische Zahl, die besagt: dass es bestimmt mehr als 1‘000 Meilen sind; 49 Meilen werden hinzuaddiert, da Alaska der 49. Staat der USA ist. In Wirklichkeit beträgt die Totalstrecke2  1‘151 Meilen oder 1‘161 Meilen.

Nach dem Einkauf der Nahrungsmittel und Getränke erfolgt der Fly-out zu den Fish Lakes. Die mit Skihalterung ausgerüstete Cessna hebt auf dem gefrorenen Lake Hood ab. Kaum haben wir den Knick-Arm überquert, sehen wir Dutzende Elche, die sich vor kahlen Erlenbüschen sonnen. Im gleichmässigen Weiss von Schnee und Eis ist die Lodge-Ansammlung am Lake Creek und Yentna aus der Luft gar nicht so leicht zu erkennen. Wie es sich noch zeigen sollte, sind im Winter viele Dinge vollkommen anders, verglichen mit der vertrauten Gegend zur Sommerzeit. Da nützen die gesammelten Erfahrungen von vielen Sommeraufenthalten wenig. Wohl deshalb nannten mich Biit, Whitey und Brummer (alle mit Wintererfahrung) immer wieder Rookie (Neuling, Anfänger). Nach einer letzten Schlaufe setzt die Cessna auf einer verschneiten Fläche des Seengebietes „Fish Lakes“ auf. Zufall oder nicht: es war von fünf Seen der Richtige. Nach ein paar Sekunden stoppt ein abruptes Festsitzen der Ski das Ausgleiten der Maschine. „Damn’d“ entfuhr es Craig dem Piloten, wir stecken in einem „overflow“. Das heisst, unter dem Schnee bildet sich stellenweise auf dem Eis ein Wasserüberlauf von 10 – 25 cm Tiefe. Die isolierende Schneedecke verhindert das Gefrieren des stehenden Wassers. Bei sehr tiefen Temperaturen bleibt der Schnee in seiner kristallinen Form erhalten und bindet nicht. Deshalb trägt die Schneedecke nicht und Du brichst bis auf das feste Eis ein. So viel zur Theorie. In der Praxis zeigt sich dann, wer wirklich Erfahrung hat. Was nützen meine in Anchorage erstandenen hohen Winterstiefel und Schneeschuhe, wenn sie im Gepäck verstaut sind? Der Sprung von der Cessna in lediglich knöchelhohen Schuhen erfordert doch einige Überwindung. Wer hat schon gerne nasse Füsse bei Minustemperaturen um die 20°C? Mühsam entladen wir das Flugzeug. Kaum stellt man ein Gepäckstück ab, verschwindet es unter der Schneedecke und findet erst Halt, wenn es im Wasser auf dem Eis liegt. Jeder Schritt kostet, wenn man bis zu den Hüften einsinkt, viel Anstrengung und Schnauf. Schweissgebadet erreichen wir nach gut 50 Meter das Ufer. Einziger Vorteil, die Füsse stehen nicht mehr im Wasser, das Einsinken hingegen bleibt. Auf allen Vieren kriechen wir Richtung Hütte, wo die Nicht-Rookies die für solche Bedingungen lebensrettenden Schneeschuhe aufbewahren. Ohne diese geht in der Wildnis gar nichts mehr. Beim Versuch diese Dinger mit klammen Fingern am Schuhwerk festzuzurren, reissen die Lederriemen. Wie schön, dass der Neuling zwei Meter gezwirnte Kunststoffschnur bei sich hat. Diese war ursprünglich vorgesehen, um während des Fluges die Tür festzuhalten, falls das Schloss vereist ist und nicht mehr einschnappt. Nun hilft sie, die Schneeschuhe der Profis zu befestigen. Damit beschränkt sich das Einsinken im Schnee auf ca.10 Zentimeter. Die Ski des Flugzeuges müssen freigeschaufelt und einige Meter Schnee in Flugrichtung festgetreten werden. Dadurch nimmt der Schnee das Wasser auf und gefriert. Erst danach kann der Start erfolgen. Nach mehreren Gängen hin und her, liegt unser Gepäck endlich im Cabin. Zu viert trampeln wir kleine Verbindungswege zum Geräteschuppen, Outhouse (Toilette) und Holzschopf. Wir bedienen uns des klugerweise im Sommer angelegten Holzvorrates und heizen den Ofen. Ein Kessel voll Schnee wird aufgesetzt und schon bald liegt der Duft von Kaffee in der Luft. Apropos Schnee schmelzen: Es bringt nichts, den vor der Hütte mit abgestorbenen Tannennadeln durchsetzten Schnee zu verwenden. Den jungfräulichen Schnee holt man am besten draussen auf dem See. Nach einem Kleiderwechsel und der langsam aufkommenden Wärme kehren bei einem Schluck „Jack“ die Lebensgeister schrittweise zurück.

Tags darauf bauen wir mit Hilfe der Ski-Doos (Motorschlitten) eine Landepiste auf dem See. Wie der gewiefte Leser weiss, nimmt der Schnee durch das Hin- und Herfahren das darunterliegende Wasser auf und gefriert nach einigen Stunden zu einer tragenden Decke. Bei diesem Unterfangen brechen beide Ski-Doos im Overflow ein. Mit Schaufeln, Anheben und Schieben bekommen wir endlich eine der fast 250 kg schweren Maschinen frei und ziehen mittels Seil die Zweite heraus. Meine Kumpels fahren die Motorschlitten ans Ufer und deuten mir die Richtung, wie ich am schnellsten aus dem Overflow herausfinde. Meine mit Wasser gefüllten Moon-Boots bleiben ab und zu im Matsch stecken, ähnlich wie Fischerstiefel im Sumpf. Nach gut 150 Meter habe ich endlich wieder festes Eis unter meinen Füssen. Statt der direkten Linie haben mir meine lieben Freunde absichtlich eine bogenförmige Wegstrecke empfohlen, so quasi als Ehrenrunde. Ganz offensichtlich gehören nasse Füsse im Winter zum Reiz des Nordens. Anschliessend wird die Piste mit grossen Tannästen markiert, damit der Pilot diese im einheitlichen Weiss der Natur von oben erkennen kann.

Nachmittags geht’s mit den einsitzigen Motorschlitten zum Checkpoint „Yentna Station“ (mile 115). Dieser liegt auf der rechten Flussseite des Yentnas etwas unterhalb der Mündung des Lake Creeks. An jedem Checkpoint müssen sich die Musher (Hundeschlittenführer) registrieren. Während der gut halbstündigen Fahrt stehe ich ganz hinten auf dem angehängten Transportschlitten. Relativ schnell bemerke ich, wie empfindlich dieser auf meine Gewichtsverlagerung reagiert. Dies erlaubt mir, innerhalb eines kleinen Aktionfeldes, Slalom zu fahren. In meinem second-hand erworbenen Musher-Anzug mit Kapuze (kälteresistent bis -80°C) und den Musher-Stiefeln (kälteresistent bis -100°C) fühle ich mich wie ein König. Dicke Handschuhe, Gesichtsschutz und Schneebrille lassen kein Flecken Haut erkennen. Vollkommen vermummt, könnte ich problemlos in einem Tiefkühlhaus übernachten. Wir folgen dem Trail, der leicht ansteigt. Der Motorschlitten ist bereits über der Kuppe, als mein Fahrer absichtlich ein Falschmanöver ausführt, damit es mich in eine meterhohe Schneeverwehung schleudert. Ich finde erst am Boden Halt und über mir schliesst sich die Schneedecke. Der Schnee ist so locker, dass man darin versinkt. Alles was ich höre ist schallendes Gelächter. Vergeblich versuche ich mich mit den Händen im Schnee abzustützen und aufzurappeln. Nichts geht, ich bin nach wie vor unter dem kristallinen Schnee. Langsam orientiere ich mich und stelle fest, dass ich nicht gegen den Hang aufstehen kann. Also dreh ich mich, damit mein Hinterteil bergwärts zu liegen kommt und stehe auf. Endlich geschafft, nur das Grinsen meiner Begleiter ärgert mich ein wenig. Wahrscheinlich war das die Rache dafür, dass ihre Schneeschuhe nur mit meiner Schnur befestigt werden konnten. Wir fahren weiter und queren einen Fluss, der - wie andere Flüsse auch - durch den winterlichen Panzer versiegelt ist. Bald darauf erreichen wir den gefrorenen Yentna. Dieser beite Fluss dient im Winter als Strasse. Allerdings ist diese nicht eben und keine geschliffene Fläche. Überall bilden Eisverwerfungen Furchen, Schründe und trotzige Zacken. Manchmal befindet sich hinter einer gefrorenen Schneeverwehung sogar eine offene Wasserstelle. Wehe dem, der da rein gerät. Die Strömung reisst alles mit und unter der Eisdecke gibt es kein Entkommen. Auf dem Motorschlitten ist der „windchill“ (gefühlte Temperatur) extrem. Eine rundum verschlossene Brille verhindert, dass die durch den Fahrtwind entstehenden Tränen nicht gefrieren. Am Checkpoint angekommen, feuern wir jedes der eintreffenden Hundeschlitten-Teams an. Ich bin weit weg vom Geschäftsleben, aber was ich hier miterlebe ist der wahre Teamgeist: Hunde und Musher sind eine Einheit. Alle arbeiten konsequent und zielorientiert für das beste Resultat. Zufälligerweise kommen wir mit dem späteren Sieger, dem Schweizer Martin Buser ins Gespräch, der seine Hunde aus der verhedderten Zugleine entwirren muss.

Einen Tag später fliegen wir bei gleissendem Sonnenschein mit Craig zum Rainy Pass. Während des ganzen Fluges begleitet uns der traumhaft schöne Anblick auf die das obere Skwentna-Becken hufeisenförmig umschliessende Bergwelt. Zur rechten Seite thront der Mount Foraker (5‘302m ü.M.) und der majestätische Mount McKinley resp. Denali (6‘194m ü.M,). Zwischen den unzähligen weissen Gipfeln landen wir auf dem Rainy Pass (mile 224). Die zerstreut liegenden Holzhütten tragen hohe Mützen aus Schnee, und auf den Zweigen der Tannen funkeln Eiskristalle.  

Es herrscht emsiges Treiben auf dem Pantilla See, der zugleich mit 579 m der höchste Punkt des Iditarod-Rennen ist. Ab Yentna Station führt der Trail via Skwentna Roadhouse und von dort nach oben über den Finger Lake zum Rainy Pass. Die neu eintreffenden Teams tragen sich im Kontrollbuch ein. Vor der Fütterung mit Trockenfisch und spezieller Trockennahrung wird für jeden Hund eine Strohunterlage eingerichtet und ein Napf mit Wasser hingestellt. Erst dann verpflegt sich der Musher und ruht sich hier etwas aus. Andere wiederum tragen sich aus und nehmen den Trail erneut unter die Hundepfoten. „Let’s go“, der langgezogene Ruf wird vom Wind förmlich verschluckt. Doch die 16 Hunde stürmen los und mit 12 km/h gleitet das Gespann über den Schnee. An Bord Axt, Schneeschuhe, eine Stirnlampe für nächtliche Fahrten, sowie Kocher und Proviant. Zwei Teams müssen das Rennen aufgeben. Bei einem abgebrochenen Camp finden wir einen liegengebliebenen und tiefgefrorenen Hering, den wir vorsorglich in eine Plastiktüte einwickeln und mitnehmen.

Wir übernachten in einem tief verschneiten und mit fast meterlangen Eiszapfen behangenen Cabin der Rainy Pass Lodge. Kein Licht, keine Heizung, kein Wasser; was will man mehr. Einziger Luxus: klirrende Kälte. Am Morgen verpflegen wir uns im Lodgehaus mit heissem Kaffee und Gebäck. Danach fliegen wir zum ca. 210 Kilometer entfernten Atabascan Dorf Nikolai (mile 347). Ab Rainy Pass und dem Überqueren der Alaska Range führt der Trail auf der anderen Seite via Rohn Roadhouse und dann dem Kuskokwim River entlang nach Nikolai. Kaum eingetroffen, darf Whitey das Gespann von Dee Dee Jonrowe „einparken“. Martin Buser liegt bereits an erster Stelle, dicht gefolgt von Jeff King (Vorjahressieger), Doug Swingley und Dee Dee Jonrowe (übrigens ist diese Dame im Sommer Fishing Guide und füttert ihre Hunde ausschliesslich mit getrocknetem Silberlachs). Wir beobachten bei minus 30°C die Kontrolluntersuchungen der Hunde durch die Veterinäre. Verletzte oder kranke Hunde werden aus dem Rennen genommen und mit dem Flugzeug, zwecks Pflege, nach Anchorage gebracht. Wir unterhalten uns mit verschiedenen Mushern. Der eine leidet an Durchfall, der andere ist stark erkältet und wieder ein anderer klagt über heftiges Kopfweh. Kein Wunder, wenn man bei eisigen Temperaturen bis minus 60°C Tag und Nacht in dieser menschenunfreundlichen Schnee- und Eiswüste im Einsatz ist und von Tag zu Tag mürber wird. Es gilt Blizzards (Schneestürme) zu überstehen und mit dem White-out (einheitliches Weiss nimmt jede Sicht) klar zu kommen. Die Musher hetzen auf sich alleine gestellt über Gebirgszüge, karge Hochebenen, zugefrorene Flüsse, dichte Wälder, öde Tundra, windgepeitschte Küsten und das Eis der Beringsee. Der Rückflug an die Fish Lakes durch sehr enge Talkessel der Alaska Range mit fast senkrecht abfallenden schroffen Bergflanken gestaltete sich recht abenteuerlich. Der kleine Flieger kann die Gebirgskette nicht überfliegen, sondern muss dem Verlauf der Canyons folgen. Mehrmals hatten wir den Eindruck, mit der rechten oder linken Tragfläche, an einer Bergwand anzuhängen. Nicht auszudenken, was sich ereignen könnte, wenn uns ein anderes Kleinflugzeug entgegen käme; keine Möglichkeit abzudrehen oder die Kiste empor zu schrauben. Abgesehen vom Motorenlärm herrscht im Innenraum beklemmendes Schweigen. Jeder hängt wohl seinen eigenen Gedanken nach.

Zurück an unserem See bereiten wir uns am späteren Nachmittag für das Eisfischen vor. Die Sonne hat über die Mittagszeit die oberste Schneeschicht leicht angetaut, jetzt ist sie gefroren und trägt uns. Bei jedem Schritt knirscht es unter den Stiefelsohlen, doch darunter tönt es hohl. Ein komisches Gefühl, wenn man nie weiss, ob man beim nächsten Tritt bis in den Overflow einbricht oder nicht. Am Rande der Piste drehen wir mit dem in Anchorage erstandenen Eisbohrer vier Wasserlöcher. Es erfordert einiges an Muskelkraft bis ein Fangloch von ca. 15 cm Durchmesser in die gut 50 cm dicke Eisschicht gebohrt ist. Die kurze Rute wird in einen kleinen Schneehaufen gesteckt und ebenfalls mit Tannenzweigen markiert. Nunmehr kommt der viergeteilte stinkende Hering vom Rainy Pass als Köder zum Einsatz. Nach dem Absenken des Köders wird die Bremse der Rolle geöffnet und an der Angelschnur etwas unterhalb der Rutenspitze ein rotes Plastikfähnchen angebracht. So können wir von der Hütte aus erkennen, ob sich was getan hat. Was für eine Überraschung als Brummer unter grossem Gejohle und YIHAA! am nächsten Morgen bei leichtem Schneefall den ersten Hecht (61,5 cm) aufs Eis legen kann. Zwei, drei Schwanzschläge und festgefroren ist er. Als köstliche Vorspeise zubereitet, überraschte uns Whitey am selben Abend mit dem gebratenen und in mundgerechte Häppchen geschnittenen Hecht. Zwischenzeitlich ist auch in der Hütte alles organsiert. Es macht so richtig Spass tagsüber mit den Ski-doos oder den Schneeschuhen unterwegs zu sein und abends gemütlich bei einem Fondue in dem warmen Cabin zu sitzen, während draussen Kojoten und Wölfe im Schneegestöber um die Wette heulen.

Ab Nikolai verläuft der Trail über McGrath, Ophir, Cripple, Ruby, Iditarod und dann dem mächtigen Yukon entlang nach Unalakleet am Norton Sound (erstes Team erhält Gold im Wert von $ 2500). Von dort geht es über die gefrorene Beringsee nach Elim, Golovin und dann nach White Mountain. In Safety ist für alle Teams aus Sicherheitsgründen ein Pflichtaufenthalt von 8 Stunden vorgegeben, bevor die Schlussetappe nach Nome in Angriff genommen wird.

Nach weiteren 3 Tagen bringt uns der Buschflieger zurück nach Anchorage. Wenigstens zwei von uns gönnen sich einen gemütlichen Abend in der Stadt; die andern Beiden leiden leider unter „zu trockenen Füssen“. Obwohl Winternächte lang sind, reicht es gerade mal für zwei Stunden Schlaf. Trotzdem gelangen wir rechtzeitig zum Airport und besteigen die Linienmaschine nach Nome, ehemals Anvil City. Durch einen Übersetzungsfehler (von No-Name) später in Nome umgetauft. 1899 brach hier das Goldfieber aus und die Stadt beherbergte rund 28‘000 Goldsucher. Heute ist das Dorf als Zielort des Iditarod-Trails bekannt und zählt gut 3‘500 Einwohner. Wir haben ein Haus gemietet, deren Bewohnerin es vorzog, die eisigen Temperaturen gegen die Wärme südlicher Gefilde einzutauschen. Auf dem Parkplatz des Flughafens tuckert ihr Auto bei minus 32°C friedlich vor sich hin. Nicht verschlossen, dafür mit Kabel an der elektrischen Steckdose angeschlossen. Der Zündungsschlüssel steckt und auf dem Sitz liegt der Lageplan ihres Hauses. Wir finden dieses auf Anhieb und richten uns ein. Tags darauf sehen wir uns mit dem Wagen den Ort und die nähere Umgebung etwas genauer an. Wie alle Eskimodörfer bietet auch Nome – abgesehen von einigen älteren Gebäuden und dem Board of Trade Saloon aus der Goldgräberzeit – nichts speziell Sehenswertes. Ein Glück, dass der Schnee die übliche Unordnung um die Hütten zugedeckt hält. Bis zum Goldcamp kommen wir nicht, die Strasse ist infolge Schneeverwehungen gesperrt. Am nächsten Morgen stehen wir an der Küste und somit an der Datumgrenze. Es ist klirrend kalt. Von hier aus gesehen, liegt Moskau im Westen und New York im Osten. Was wir sehen ist Schnee und geschichtetes Eis.

Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich Sibirien. Eine stille Verschwörung und wir sind uns einig, eines Tages stehen wir auf der anderen Seite. Am nächsten Nachmittag mischen wir uns unter Hunderte von Zuschauern am Ziel an der Front Street. Jetzt ist die Atmosphäre des Goldrausches zu spüren und wird noch lebendiger, wenn das Iditarod-Fieber die Bewohner befällt. Die ganze „Stadt“ ist auf den Beinen, um die Musher an der Front Street zu empfangen und zu begrüssen. Bisher haben 9 Teams aufgegeben und 5 Hunde sind umgekommen. Mit einem Vorsprung von über 3 Stunden quert als Erster (dies bereits zum 3. Mal) Martin Buser mit 10 Hunden nach 9 Tagen, 8 Stunden, 30 Minuten den „Noppen Arch“, die traditionelle Ziellinie. Freudestrahlend nimmt er abends den Check über $ 50.000 entgegen und wird zudem stolzer Besitzer eines Dodge-Pick-up im Wert von $ 38.000. Es folgen Doug Swingley (2h 11m zurück – Preisgeld: $ 44.800), Jeff King (7 1/2h zurück – Preisgeld: $ 36.400) und Dee Dee Jonrowe (10 1/2h zurück – Preisgeld: $ 31.500). Um die Wartezeit der Zuschauer abzukürzen werden verschiedene Darbietungen geboten, allen voran ein Wet-T-Shirt-Wettbewerb. Dabei gilt es das T-Shirt knackiger Mädchen mit dem eigenen Bierglas zu begiessen, bis die Rundungen körperbetont zur Geltung kommen. Anschliessend wird das T-Shirt versteigert. In den verrauchten und überfüllten Bars wird life Country Music gespielt und die Menschenmenge grölt dazu. Das Highlife dauert rund eine Woche respektive bis das allerletzte Team eingetroffen ist.

Wir fliegen via Kotzebue zurück nach Anchorage und werden bei der Überquerung des Polarkreises zu Lifetime Members of the Artic Circle Club ernannt.

Bei garstiger Kälte verlassen wir Alaska und landen in einer „warmen Schweiz“ bei plus 10°C. Far North, we see you again during winter time!                                                                                             2/4

1  Heute ist das Hundeschlittenrennen ein rein sportlicher Anlass. Er ist ein ehrendes Gedenken an den historischen Iditarod-Trail von 1925 und die Männer und Hundeschlittengespanne, die ihn befuhren. Flugzeuge konnten zu jenem Zeitpunkt bei diesen extremen Tieftemperaturen noch nicht eingesetzt werden. Damals wurde das Serum gegen die Diphterieepidemie per Bahn bis Nenana gebracht und dann in einem Staffel- und Wettlauf gegen die Zeit nach Nome transportiert. Der Norweger Gunnar Kaasen und sein Leithund Balto erreichten am 2. Februar 1925 um 05.30 Uhr die Front Street in Nome. Die meisten Musher sehen aber in Leonard Seppala (ebenfalls ein Norweger) und seinem Leithund Togo die wahren Helden des Laufes. 1973 wurde dieses Ereignis durch Joe Redington wiederbelebt und in Erinnerung gerufen. Von den 34 Teams erreichten 22 das Ziel, wobei der Gewinner 20 Tage benötigte.

2 Der Name „Iditarod wurde vom Fluss „Hihehod“, wie ihn die Ingalik-Indianer nannten, abgeleitet und ist nicht die Verkürzung von “I did a road“. Die Goast-Town „Iditarod“, früher eine Minenstadt, ist heute noch immer ein Checkpoint des Rennens. Die Strecke wird abwechslungsweise alle 2 Jahre nach Norden (1‘151 Meilen) ab Ophir in Richtung Cripple – Ruby –  Kaltag – und im darauf folgenden Jahr nach Süden (1‘161 Meilen) ab Ophir in Richtung Iditarod – Shageluk – Anvik – Kaltag – befahren. Normalerweise wird bei geraden Jahreszahlen die Nord- und bei ungeraden Jahreszahlen die Südroute vorgegeben.