Yakutat und ein Besuch der Hauptstadt mit deren Umgebung (1998)

Yakutat

Mit einem Linienflug ab Anchorage und einem Zwischenstopp in Cordova erreichten wir nach etwas mehr als zwei Stunden Yakutat. Die isolierte Kleinstadt liegt am Golf von Alaska und am Fusse der St. Elias Mountains, ca. 600 km südlich von Anchorage und 380 km nordwestlich von Juneau. Die Ortschaft ist nur zu Wasser oder aus der Luft erreichbar und die 800 Einwohner haben die Wildnis vor ihrer Haustür. Ursprünglich war das Gebiet um Yakutat von Eyak besiedelt. Vor dem Eintreffen der ersten Europäer vermischten sie sich mit den zugewanderten Tlingit. Durch die beiden Indianer-Gruppen entstanden in diesem Gebiet mehreren Siedlungen, wobei Yakutat heute als einzig bewohntes Dorf übrig geblieben ist. Hier ist noch etwas vom ursprünglichen und pionierhaften Alaska zu spüren. Nach Yakutat kommen fast ausschliesslich Fischer, Jäger und Naturliebhaber.

Die hauptsächlichen Einnahmequellen der Bewohner der Yakutat Bay sind Berufsfischerei, Angeltourismus (Steelhead, König-, Rot-, Buckel-, Silberlachs, Halibut) und geführte Outdoor-Aktivitäten. 

Yakutat wirbt mit dem Slogan "world-class fishing“ – und das zu Recht! Der Situk River gilt als bester Steelheadfluss Alaskas. Exemplare mit 8 bis 20 Pfund sind die Regel. Der Rotlachsaufstieg zählt zu den stärksten im ganzen Land. Der Silver-Run bringt überdurchschnittlich grosse Fische (15 – 20 Pfund). Nicht zu vergessen sind auch die Kings, die im Juni mit den Rotlachsen aufsteigen. Es ist ein kleiner Fluss, der sich über rund 30 km durch einen üppigen Regenwald windet und ca. 10km von Yakutat ins Meer mündet. Zahllose Kiesbänke mit herrlichen Pools lassen das Anglerherz höher schlagen. Fliegenfischer kommen hier voll auf ihre Rechnung. Die Struktur des Gewässers und der Ufer sowie die Fliessgeschwindigkeit sind perfekt. Eine tolle Sache ist eine Tour im Driftboot mit Guide. Die Ufer des Situk und des Lost Rivers sind gut begehbar. Zum Fluss führen zwei Strassen, eine zur Mündung und eine zur “Nine Mile Bridge“, die am Mittellauf liegt. Im unteren Teil ist der Situk gezeitenabhängig und stark befischt wird (s. Artikel: Reiseberichte > Situk River). Manchmal verlangen die Einheimischen ab der Brücke einen Wegzoll zum Benutzen des Trails flussaufwärts.

Yakutat Coastal Airlines bietet u.a. auch Flüge zu den folgenden Flüssen an: Tsiu River, Italio River, Akwe River

Die Fischerei im Meer auf Heilbutt, Ling (Lengfisch), Cod (Dorsch) und Lachs sucht ihres gleichen. Yakutat hat immer Saison: von April bis November! Im Frühling und Herbst sind es die Steelheads, im Sommer die Lachse. Das Fischen vom Boot auf Halibut bereitet Spass und ist gewiss eine Alternative für einen Tag.

Wer vom Fischen eine Abwechslung sucht, kann mit dem Auto zum Dangerous River fahren und gelangt nach einem ca. 30 minütigen Spaziergang zum Harlequin Lake. Von dort aus hat man freien Blick auf den Yakutat Gletscher und die im See treibenden Eisberge.

Meine Leidenschaft ist das Angeln auf den König der Lachse, den King Salmon und zwar vom Ufer oder der Kiesbank aus. Mich fasziniert die Kampfkraft dieser silbernen Torpedos. Doch nach meiner Beurteilung kann man  die Königslachs-Angelei im Situk River vergessen (ev. an der Mündung, das kann man dann aber vom Meer aus einfacher haben). Somit werde ich für die restlichen zwei Tage wohl etwas anderes unternehmen.

Alaskas Hauptstadt Juneau

So entscheiden wir zu dritt, der Hauptstadt einen kleinen Besuch abzustatten. Ab Yakutat unternehmen wir - Franz, Ruedi und ich - einen zweitägigen Abstecher nach Juneau, der kleinen Hauptstadt des grossen Alaskas. Diese liegt am Gastineau Channel, einem Teil der Inside Passage, und kann nur per Flugzeug oder Schiff erreicht werden. Eine Hauptstadt ohne Anschluss an die Aussenwelt - das gibt es wohl nur in Alaska. Das abgelegene Juneau wurde 1880 gegründet und nach dem Prospektor Joseph Juneau benannt, der zusammen mit seinem Partner Richard Harris auf eine Goldader gestossen war, die sich als 150 Mio. $ schwer erweisen sollte. Während des grossen Goldrausches entwickelte sich Juneau  zu einer prosperierenden Bergbaustadt. 1906 wurde der Regierungssitz von Sitka nach Juneau verlegt. Mit ihren ca. 30'000 Einwohnern präsentiert sie sich ihren Besuchern als schmucke Kleinstadt, die mit einer Reihe historischer Gebäude aus der Pionierzeit aufwarten kann. Viktorianische Villen aus der Jahrhundertwende und moderne Glas- und Betonarchitektur der Verwaltungszentren treffen hier aufeinander. Die Staatsregierung ist heute mit Abstand der grösste Arbeitgeber; rund die Hälfte der werktätigen Einwohner ist in der Administration beschäftigt.

 

Soeben hat ein Kreuzfahrtschiff bei der Franklin Street angelegt, steht leise seufzend und Wasser ablassend im Hafen. Ein riesiges Häuser überragendes Ungetüm, aus dessen Schlund sich alsbald weit über tausend Touristen ergiessen. Die einen in Shorts und T-Shirts gekleidet, die anderen in warme Kapuzenmäntel gehüllt, aber alle mit demselben Ziel: den kleinen, auf alt gemachten Souvenirläden an der Uferstrasse einen Besuch abzustatten. Da gibt es Dinge zu kaufen, die an den Goldrausch erinnern und wie echte Indianerschnitzereien aussehen, aber leider nur wenig authentisches Kunsthandwerk.

Sehr authentisch ist dafür der Red Dog Saloon; ein Pub mit der einzigartigen Atmosphäre der ehemaligen Goldgräbersiedlung, einem separaten Eingang für Damen, Sägespäne am Boden. Der bestellte Jack Daniels mit 7up und der Sound der Hillbilly-Musik runden die Ambiance hervorragend ab. Hier und in der traditionsreichen Bar des Alaskan Hotels geht abends die Post ab.

 

Gleich vis-à-vis des Piers führt eine Seilbahn auf den Mount Roberts von wo aus man einen gute Sicht über die Stadt und den Gastineau Channel hat.

Walbeobachtung

Anstelle der Fahrt zum Mount Roberts, der in Wolken gehüllt ist, fahren wir mit einer kleinen Nussschale zur Bucht hinaus zum offenen Pazifik. Die Wellen spielen mit dem 5m langen und 2m breiten Boot. Während der Fahrt vermittelt uns der Kapitän einiges von seinem Wissen über Wale. Sie gehören bekanntlich zur Gattung der Meeressäugetiere und werden in zwei Gruppen unterteilt: nämlich in Zahn- und Bartenwale. Bartenwale haben anstelle der Zähne kammartige Hornplatten und ernähren sich vorwiegend von kleinen Meeresbewohnern, wie Krill-Krebsen, kleineren Heringen und Plankton. Bei der Nahrungsaufnahme schwimmen die Wale  mit geöffnetem Maul durch einen Beuteschwarm, schliessen das Maul und lassen das überschüssige Wasser durch ihre Barten abfliessen. Die Nahrung bleibt im Maul zurück und wird geschluckt. In einem einzigen Mal werden auf diese Art und Weise aus ca. 1.900 Liter Wasser um die 45 Kilogramm Nahrung gefiltert. Pro Tag entspricht dies einer Menge von über 2 Tonnen, die zum Aufbau der 5 bis 10cm dicken Speckschicht benötigt wird. Teilweise jagen Wale auch als Gruppe und haben dafür eine spezielle Fangmethode entwickelt. Sie tauchen im Team und geben dabei gezielt kreisförmige Serien von Luftblasen ab, die wie ein Netz wirken: Planktonorganismen oder kleinere Fische können das dichte Blasennetz nicht durchschwimmen und sind daher im Inneren eingeschlossen. Jetzt steigen die Wale auf und schöpfen ihre konzentrierte Nahrung mit bis zu 5 Metern weit geöffnetem Maul ab.

Schon von Weitem sind mit blossem Auge der Blas (Blaswolke) der Wale zu erkennen. Wie uns der Kapitän informiert, handelt es sich um Buckelwale, die aus diesen kalten Gewässern Plankton filtern. Die Männchen wiegen um die 25 und die Weibchen bis zu 35 Tonnen. Wir nehmen Kurs auf die zuletzt gesehene Dampfwolke und nähern uns dem Wal bis auf 50 Meter. Gemächlich schwimmt das Weibchen mit ihrem Kalb an der Wasseroberfläche und setzt dann majestätisch zum Abrollen an. Der Kopf und Buckel beginnen ins Wasser einzutauchen, dann folgt in einer gleitenden Bewegung der gebogene Rumpf und schlussendlich bekommen wir die gen Himmel ragende Fluke (Schwanzflosse) mit ihrer schwarz-weissen Musterung an der Unterseite zu sehen. Da jede Schwanzflosse eine unterschiedliche Zeichnung aufweist, können die Wale leicht erkannt und unterschieden werden. Das Baby versucht es seiner Mama gleich zu tun. Zuerst springt es aber mit seinen ca. 8 Tonnen Lebendgewicht recht übermütig aus dem Wasser und lässt sich zurück plumpsen. Bevor wir die Spritzer abbekommen, ist das Kleine abgetaucht. Nach rund 10 Minuten tauchen sie einige hundert Meter weiter entfernt wieder auf. Etwas links verrät neu ausgeblasener Dampf den Standort weiterer Wale, die sich hier offensichtlich ein Stelldichein geben. Wir fahren hin. Es ist grandios in freier Natur so etwas erleben zu dürfen. Allerdings wird es mulmig, als einer dieser Brocken keine 5m von unserem Boot entfernt auftaucht. Das war heiss, beinahe hätte  er uns versenkt. Oder wollte er die Geschichte „Jona und der Wal“ in einer Neuverfassung aufführen? Wie dem auch sei,  wir  gehen auf Abstand und geniessen das Getümmel der Wale aus sicherer Entfernung. Später treffen wir wieder auf die Mutter mit Kind und bekommen nochmals das gleiche Schauspiel in leicht abgeänderter „Choreografie“ zu sehen.

Die fischenden Weisskopfadler

Ganz langsam gleitet unser Boot mit abgestelltem Motor in Richtung des stark bewaldeten Ufers. Aus rund 30 Meter Entfernung können wir im üppigen Geäst der Fichten an die 20 Weisskopfadler erkennen. Mit dem lauten Ruf „hoy – hoy – hoy“ zieht der Kapitän die Aufmerksamkeit der Adler auf unser Boot. Argwöhnisch aber gespannt verfolgen ihre Augen das weitere Geschehen. Mittels einer Spritze pumpt der Kapitän Luft in tote Heringe. „Damit sie auf der Wasseroberfläche schwimmen“, sagt er und wirft sie in grossem Bogen einige Meter weit. Mit gestreckten Fängen greifen sich die Adler ihre Beute. Während mehr als einer Viertelstunde bewundern wir sprachlos und mucksmäuschenstill aus nächster Nähe die Flugkünste dieser imponierenden Geschöpfe. Zwischendurch sind drei bis vier Adler gleichzeitig im Anflug. Alles geht so wahnsinnig schnell. Bedingt durch die Auslöseverzögerung an unseren Cameras, gelang uns - trotz unzähligen Versuchen - kein vernünftiges Foto. 

Gletscher kalben direkt in den Pazifik

Nach langem Suchen erklärt sich ein Buschpilot einverstanden, uns in die Glacier-Bay und von dort nach Yakutat zu fliegen. Wir verlassen Juneau kurz vor zehn Uhr mit einer kleinen Maschine in Richtung Gustavus, wo wir nach 20 Minuten auf der Piste aufsetzten. Im Glacier-Bay-Nationalpark kalben 16 Gletscher von ihrer Scheitelhöhe - einer manchmal über 100m hohen Eiswand - direkt in den Pazifik. Nun gilt es den Ranger zu überzeugen, dass wir unbedingt vor dem Margerie-Gletscher wassern möchten, um das Abbrechen der gewaltigen Eismassen aus nächster Nähe verfolgen und filmen zu können. Nach viel Überzeugungskraft und vielen Erklärungen (offenbar plausible) erhalten wir die entsprechende Sonderbewilligung. Normalerweise darf das Kalben der Gletscher nur von Booten aus beobachtet werden. Rund 45 Minuten später setzen die Schwimmer auf dem milchigen Gletscherwasser  zwischen einem Kreuzfahrtschiff und dem Gletscher auf. Pro Seite klettert ein Mann auf die Schwimmer. So nah am Eiswasser ist es empfindlich kalt. Aus dem Typhon des Kreuzfahrtschiffes ertönt ein Begrüssungssignal. Das Deck ist voll mit Gästen, die uns zu winken. Offensichtlich ist unsere Kraxelei eine Attraktion. Eines aber ist sicher, wir haben für etwas Abwechslung gesorgt. Der Abstand zum Gletscherabriss beträgt vielleicht 70 bis 80m und etwa gleichviel zum Schiff.

Die Anweisungen des Piloten sind kurz:
- Aussteigen und vom Schwimmer aus Filmen/Fotografieren
- Ein  Eisbruch kündigt sich durch eine Schneestaubfahne an
- Dann bricht eine Wand und rutscht, unter Donnergetöse, aus rund 100m senkrecht in die Fluten
- Abschliessend schiesst eine Gischtfontäne hoch
- Dies ist das Zeichen schnellstens – bevor die Flutwelle kommt – in die Kabine zu klettern.

Wir warten und plötzlich sehen wir Schneestaub stieben. Gebannt verfolgen wir das fantastische Schauspiel der allergewaltigsten und ehrerbietenden Natur, wie riesengrosse Orgelpfeifen und Eisfronten wie Hauswände im Pazifik versinken - hören den Kanonenknall, sehen das Wasser aufspritzen und klettern. Gewaltig ! Fantastisch ! Spektakulär ! Obwohl der Pilot die Schwimmer quer zu den Wellen ausrichtet, werden wir in der Kabine recht unsanft durchgeschüttelt. Eisbrocken und -berge in bizarren Formen und in Farbtönen von schmutzig grau, über weiss, bis zu verschiedenen Blautönen taumeln durchs Wasser. Auf einigen Eisschollen dösen Robben. Wir geniessen die mehrmalige Wiederholung des Schauspiels. Die Flut treibt die losgelösten Eismassen weiter in den Fjord. Das ist gut so. Wir müssen lediglich darauf achten, vor Einsetzen der Ebbe die Bucht zu verlassen. Nach einem erlebnisreichen Tag landen wir etwas nach 18 Uhr in Yakutat.               2/4